11.04.2011

Essen. Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty hat heute (Freitag d. 8.4.2011) in einem Festakt im Welterbe Zollverein in Essen die Präsidentin des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) Dr. Ricarda Brandts offiziell in ihr Amt eingeführt und ihren Amtsvorgänger Dr. Jürgen Brand gewürdigt. Vor hochrangigen Gästen aus Politik, Justiz, Gewerkschaften, Sozial- und Wirtschaftsverbänden und Kirchen betonte Minister Kutschaty, die Sozialgerichtsbarkeit stehe auf vielen sozial herausgehobenen Gebieten im Zentrum staatlicher Rechtsgewährung. Die Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammenzulegen lehne die Landesregierung daher ab. „Dafür gibt es weiter keinen vernünftigen Grund“ so Kutschaty. Der Minister ging auch auf die Ursachen für die „hohe Belastung“ der Sozialgerichtsbarkeit ein. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte müsse etwa nicht selten als Reparaturbetrieb für die „schnelle und nicht immer fehlerfrei laufende Maschine des Gesetzgebers“ dienen. Kutschaty stellte in diesem Zusammenhang eine mögliche Entlastung der Sozialgerichte in Aussicht: Die Landesregierung prüfe, ob sie Kreise und kreisfreie Städte in Zukunft ermächtigen werde, örtliche Satzungen über die „Angemessenheit“ der Kosten von Unterkunft und Heizung zu erlassen, auf die Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II einen Anspruch haben. Diese Satzungen zu kontrollieren und Standards für die genannten Leistungen festzulegen, wäre dann Aufgabe des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. Derzeit tragen die Streitigkeiten zur Frage, in welcher Höhe Empfänger von SGB-II-Leistungen im Einzelfall Kosten von Unterkunft und Heizung beanspruchen können, erheblich zur Arbeitslast der Sozialgerichte in Nordrhein - Westfalen bei.

Die Präsidentin des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen Dr. Ricarda Brandts hob anlässlich ihrer offiziellen Amtseinführung die zentrale Rolle der Sozialgerichtsbarkeit für die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe hervor. Sie betonte die besondere Verantwortung der Sozialrichter für die Akzeptanz der Sozialgesetzgebung in der Bevölkerung und damit für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft, der wiederum ein wesentliches Fundament der Demokratie sei. „Als Wächter des Sozialstaates müssen Sozialrichter mit besonderem Gespür für individuelle Schicksale und gesellschaftliche Zusammenhänge zu Werke gehen“, so Dr. Brandts, „sie müssen soziale Gerechtigkeit im Einzelfall schaffen, ohne das gesellschaftliche Ganze aus dem Blick zu verlieren“. Dazu gehöre auch das geduldige Zuhören und das Erklären von Rechten und ihren Grenzen, sagte Dr. Brandts. Sozialrichter müssten dafür die nicht selten kompliziert und unübersichtlich geratenen Sozialgesetze verständlich in die Lebenswirklichkeit der Kläger übersetzen. Die Verantwortung des Sozialrichters könne auch als besondere ethische Verpflichtung und als besonderer Anreiz für die tägliche Arbeit verstanden werden. Frau Dr. Brandts hob in ihrer Rede auch die Verdienste ihres Vorgängers Dr. Jürgen Brand hervor. Sie ist sich sicher: „Ohne seine Tatkraft und seinen Einfallsreichtum hätte die Sozialgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen die immensen Herausforderungen insbesondere durch ständig steigende Verfahrenszahlen nicht bewältigen können“.

Dr. Ricarda Brandts war nach dem Studium als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhruniversität Bochum tätig, wo sie im Strafrecht bei Professor Rolf Herzberg promoviert hat. Im April 1988 trat sie als Richterin in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihr erstes Richteramt übte Frau Brandts am Sozialgericht in Dortmund aus. Ab 1992 war sie Richterin am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Von Oktober 1995 bis Oktober 1997 leitete Frau Dr. Brandts das für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zuständige Referat beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Im November 1997 wurde sie zur Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund und im Juni 2000 zur Vizepräsidentin des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ernannt. Seit dem 1. August 2008 gehörte Frau Dr. Brandts als Richterin dem für das Recht der gesetzlichen Krankenkassen zuständigen ersten Senat des Bundessozialgerichts an. Seit November 2010 leitet sie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen und ist Vorsitzende des ersten Senats.

Vollständiger Text der Rede von Minister Kutschaty »